Ich freue mich sehr, heute wieder hier in der Schorndorfer Moschee sein zu dürfen. Bei meinem letzten Besuch zusammen mit Nils Schmid, dem Spitzenkandidaten der SPD (und hoffentlich dem nächsten Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg), habe ich mich hier sehr gut aufgenommen gefühlt, und habe diesen Ort und diese Gemeinschaft als sehr gastfreundlich empfunden. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich bei Ihnen, der Islamischen Gemeinde, ihrem Vorstand und insbesondere natürlich Herrn Imam Hakki Gür.
Mir sind Begegnungen zwischen Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen sehr wichtig. Ich selbst bin christlich-evangelischer Theologe, und ich bin schockiert, mit wie vielen Vorurteilen, Vorbehalten und sogar Ablehnung seitens vieler sogenannter Christen auf Mitmenschen muslimischen Glaubens reagiert wird. Das entspricht nicht dem christlichen Glauben.
Die Gründe für eine oft reflexhafte Ablehnung des Islam in Deutschland liegen meiner Ansicht nach hauptsächlich in Unkenntnis und damit verbundener Angst – zwei sehr schlechten Ratgebern.
Deshalb freue ich mich, dass die Islamische Gemeinde hier schon viel tut, um zu helfen, Vorurteile und Ängste abzubauen. Die vielen öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten der Gemeinde, der offene, moderne und transparente Bau dieser Moschee, der Einblicke von außen erlaubt, oder der Austausch ihres Imams mit Geistlichen christlicher Kirchen wie diese Woche in Weiler – das sind wichtige Beiträge, die hier in Schorndorf und in der Umgebung wahrgenommen werden.
Das Motto meiner Wahlkampagne lautet „Gemeinsam leben – gemeinsam entscheiden – Gemeinschaften bauen“. Es drückt aus, dass alle dazu aufgerufen sind, aktiv an einer Gesellschaft mitzuarbeiten, die ein Miteinander und kein Nebeneinander ist. Sie als Muslime und Sie als Menschen mit türkischen Wurzeln gehören zu Deutschland, und sie machen dieses Land stärker, vielfältiger und lebenswerter.
Es ist gut, dass Sie eine lebendige Gemeinschafts- und Vereinsarbeit z.B. in Sportvereinen, Kulturvereinen oder hier in der Islamischen Gemeinde betreiben.
Ich würde mir jedoch wünschen, dass es noch viel selbstverständlicher wird, dass Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, Menschen mit verschiedenem Glauben und unterschiedlichen kulturellen Wurzeln sich hier für eine Gemeinschaft engagieren, mit der wir uns alle gemeinsam identifizieren.
Nehmen Sie ihren vollen und angestammten Platz als Deutsche Mitbürger in der Deutschen Gesellschaft ein. Dabei ist die Staatsbürgerschaft erst einmal zweitrangig (auch wenn sich die SPD dafür einsetzt, dass z.B. der Erhalt einer doppelten Staatsbürgerschaft vereinfacht wird). Wir leben hier gemeinsam in einer lokalen Gemeinschaft. Gehen Sie deshalb auch zur Feuerwehr, zum Historischen Verein, engagieren Sie sich in kommunalen Projekten, oder arbeiten Sie mit bei der Schorndorfer Bürgerstiftung.
Ich weiß, dass viele hier in der Gemeinde das bereits tun. Und ich weiß auch, dass Sie noch immer oft Vorbehalten begegnen. Es muss noch viel passieren – auf beiden Seiten. Ich wünsche mir, dass das noch viel mehr Menschen zum Herzensanliegen wird, damit wir wirklich eine bunte Gesellschaft des Miteinanders werden, und nicht die eines Nebeneinander- her- Lebens.
Meine Frau Susan, die ja heute auch hier ist, ist Amerikanerin. Unsere Familie wird – so Gott will – dieses Jahr Zuwachs bekommen, denn wir erwarten im August die Ankunft von Zwillingen. Als Eltern mit unterschiedlicher Herkunft wünschen wir uns, dass unsere Kinder mit ihrer speziellen eigenen Identität aufwachsen können. Wir möchten aber auch, dass sie sich mit der sie umgebenden Gesellschaft identifizieren, dass sie sich als Teil davon verstehen und ihren Beitrag zur Bildung von Gemeinschaften hier leisten.
Sprache und Bildung
Ein zentraler Schlüssel dafür – und damit möchte ich auf das Thema heute überleiten – ist die Sprache. Für Sie, für uns und vor allem für unsere Kinder und ihre zukünftige berufliche Laufbahn sowie ihren Stand innerhalb einer gemeinsamen deutschen Gesellschaft ist es elementar wichtig, die Deutsche Sprache perfekt zu beherrschen. Das gilt natürlich nicht nur für Mitbürger mit türkischen oder sonstigen Wurzeln, sondern auch für Deutsche ohne Migrationshintergrund. Auch hier gibt es große Sprachdefizite in Wort und Schrift, die sich spätestens in der Schule, aber dann auch in der Ausbildung und im Berufsleben negativ auswirken.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bei bis zu 30 % der Kinder ein Sprachförderbedarf besteht. Kinder erwerben ihr Sprachvermögen besonders während ihrer ersten Lebensjahre. Es ist zu spät, erst in der Schule oder im letzten Kindergartenjahr mit einer Förderung zu beginnen.
Deshalb setz ich mich zusammen mit der SPD dafür ein, dass Sprachförderung vom ersten Kindergartenjahr an ein fester Teil des Bildungs- Orientierungsplanes wird. Zusätzlich soll es individuelle Sprachförderangebote für Kinder mit entsprechendem Bedarf geben. Dafür und für die notwendige Fortbildung der pädagogischen Fachkräfte wollen wir als Regierungspartei mehr Mittel zur Verfügung stellen.
Auch mit einer ausreichend guten Sprachkompetenz setzt das dreigliedrige Schulsystem unsere Kinder jedoch einem extremen Leistungsdruck aus.
Dieser Leistungsdruck und die frühe Aufteilung auf verschiedene schulische Pfade stehen einer positiven Entwicklung vieler Kinder entgegen. Individuelle Stärken und Schwächen, Präferenzen und Geschwindigkeiten der Kinder werden dabei nicht berücksichtigt.
Es hat sich auch gezeigt, dass der Geldbeutel der Eltern eine entscheidende Rolle beim Zugang zu der schulischen und damit späteren beruflichen Laufbahn spielt. Die Kinder reicher und bildungsnaher Eltern gehen viel öfter auf das Gymnasium und absolvieren ein Studium – mit der Folge, dass sich Chancenungleichheit und Einkommensunterschiede weiter zementieren. Schon bei der Grundschulempfehlung werden Kinder mit einer eher bildungsfernen sozialen Herkunft deutlich benachteiligt. Das ist zutiefst ungerecht.
Deshalb setze ich mich mit der SPD dafür ein, dass in einem ersten Schritt die Grundschulempfehlung zugunsten eines freien Elternwahlrechts über die weiterführende Schule abgeschafft wird.
Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass in einem nächsten Schritt das dreigliedrige Schulsystem abgelöst wird von einer Gemeinschaftsschule, in der alle Schüler gemeinsam 10 Jahre lernen.
An einer solchen Gemeinschaftsschule soll die individuelle Förderung jedes einzelnen jungen Menschen die pädagogische Richtschnur sein. Lehrer werden dabei zu „Lernbegleitern“. Sie unterstützen das Lernen mit differenzierten Lernmethoden. Fachunterricht, Projektarbeit, Spiel, musisch- kulturelle oder auch sportliche Angebote bilden eine Einheit. Die Angebote entsprechen den individuellen Fähigkeiten und Neigungen der Kinder, und die Kinder werden nicht über- oder unterfordert.
Ein solches pädagogisches Konzept lässt sich sinnvoll nur in einer ganztägigen Schulbetreuung durchführen. Eine Ganztagesschule erlaubt zudem gerade einkommensschwächeren Familien, dass beide Eltern arbeiten gehen können ohne die Kinder zu vernachlässigen. Deshalb fordert die SPD den Übergang zu einem Ganztages-Schulkonzept.
Ein neues Schulsystem kann und sollte nicht über Nacht installiert werden, sondern muss in einem schrittweisen Übergang eingeführt werden. Man muss dabei sehen, was vor Ort in den Kommunen Sinn macht, und man muss individuell verschiedene, innovative und pragmatische Lösungen zulassen.
Insbesondere im Hinblick auf die Haupt- und Werkrealschulen (mit teilweise drastischem Schülerrückgang) wollen wir jedoch sicherstellen, dass „die Schule im Dorf bleibt“. Das heißt, das es nach dem Willen der SPD an jedem weiterführenden Schulstandort mindestens 10 Schuljahre gibt, nach denen alle Abschlüsse der Sekundarstufe I qualifizierend angeboten werden. Den Haupt- und Realschulabschluss soll es auch an einzügigen Standorten geben.
Aber was passiert nach dem allgemeinbildenden Schulabschluss? Die Beruflichen Schulen, an denen unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit dem nötigen Spezialwissen für ihre zukünftige Laufbahn ausgestattet werden, können in Baden- Württemberg den Bedarf bei weitem nicht decken.
Die jetzige Landesregierung hat es versäumt, die beruflichen Schulen mit ausreichenden Mitteln und Lehrkräften auszustatten. Die Folgen sind verheerend: Trotz einer stark steigenden Anzahl von Überstunden der Lehrkräfte ist der Unterrichtsausfall erschreckend hoch. Motivierte junge Menschen, die sich weiterqualifizieren wollen, erhalten keinen Platz an beruflichen Gymnasien. Schulische Berufsvorbereitungsmaßnahmen führen nicht zur Fachhochschulreife oder stellen lediglich eine „Warteschleife“ dar.
Zusammen mit der SPD möchte ich das berufliche Bildungswesen dem allgemeinen gleichstellen. Dazu gehört eine gleiche Ressourcenausstattung, die Möglichkeit von Ganztagesangeboten an beruflichen Schulen und der Abbau des Unterrichtsdefizits. Ein zentraler Punkt wird sein, den Übergang zwischen Beruf und Schule zu verbessern. Wir brauchen verpflichtende Berufsorientierungsangebote ab der 7. Klasse. Die schulische Berufsvorbereitung muss in ihrer Wirksamkeit verbessert werden, und sie sollte denen vorbehalten sein, die sie wirklich benötigen. Alle anderen Jugendlichen brauchen einen Ausbildungsplatz.
Wer sich weiterqualifizieren will und die nötigen Voraussetzungen mitbringt, soll einen Rechtsanspruch auf einen Platz im beruflichen Gymnasium erhalten.
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Ich möchte festhalten, dass Bildung die große soziale Frage unserer Zeit ist. Bildung ist der Schlüssel zu einer freien, selbstverantworteten Lebensgestaltung, zur Sicherung der materiellen Existenz aus eigener Kraft, und zur gesellschaftlichen Teilhabe.
Aufstieg durch Bildung und Leistung, ohne Abhängigkeit vom Geldbeutel der Eltern und im qualitativ besten Bildungssystem – das ist der Anspruch der SPD, und dafür setze ich mich ein.
Aber egal, für welche Partei Sie sich entscheiden: Bitte gehen Sie, so sie wahlberechtigt sind, am 27. März zur Wahl. Dieses Land ist ihr Land, und die zukünftige Regierung wird ihre Regierung sein. Machen Sie Ihren Einfluss innerhalb unserer Gesellschaft geltend!