Der Kampf um die Befreiung dauert an

Die Schorndorfer SPD hat 100 Jahre Frauenwahlrecht gefeiert - und einen kritischen Blick auf die Lage der Frauen geworfen

Schorndorf. Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, August Bebel: Es waren vor allem SPD-Größen, die in Deutschland einst für Frauenrechte gekämpft haben. Viel wurde in den letzten 100 Jahren für die Gleichberechtigung erreicht, doch der Kampf ist noch lange nicht vorbei, wie eine SPD-Veranstaltung am Donnerstagabend zum Internationalen Weltfrauentag in der Manufaktur zeigte.

 

 

Politische Erfolge: Oft auch gegen SPD-Männer erkämpft


Die ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete aus Tübingen warf einen kritischen Blick auf die frauenpolitischen Erfolge und erinnerte daran, dass diese auch innerhalb der Sozialdemokratie - durch Pionierinnen wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg - oft gegen die Männer erstritten werden mussten. Rühmliche Ausnahme: Der einstige Vorsitzende August Bebel, der die Partei von 1892 bis 1913 führte und in dem die Frauen für ihre Sache einen prominenten Unterstützer fanden. Der ihnen aber auch folgenden guten Rat gab: „Frauen dürfen so wenig auf die Hilfe der Männer warten wie die Arbeiter auf die Hilfe der Bourgeoisie.“ Haller-Haid erinnerte daran, dass es Frauen lange Zeit nicht einmal erlaubt war, in politischen Parteien aktiv zu sein. Aus Preußen ist folgende Formulierung überliefert, die tief blicken lässt: „Politische Organisationen sind verboten für Frauenpersonen, Geisteskranke, Schüler und Lehrlinge.“ So sollte es dann auch Jahrzehnte dauern, bis sich 1918 die Forderung nach einem Frauenwahlrecht tatsächlich verwirklichte. Und nach Drittem Reich und Zweitem Weltkrieg der Gleichheitsgrundsatz aus dem Grundgesetz auch im Bürgerlichen Gesetzbuch nachvollzogen wurde.

Seitdem hat sich gleichwohl frauenpolitisch einiges getan. Dass Frauen nicht wählen dürfen, sei heute im Grunde undenkbar. Es gab Änderungen beim Scheidungs-, Namens- und Abtreibungsrecht.  Jedoch noch immer, mahnte sie, würden zu viele Frauen heute den Männern die Politik überlassen. „Und das ist auch der Grund, warum der frauenpolitische Fortschritt häufig nur im Schneckentempo daherkommt.“

 


Keine Toleranz: Klare Kante gegen Fundamentalisten


Trotz allem Erreichten seien die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zudem immer noch ganz beträchtlich – „besonders im Beruf und ganz oft immer noch dann, wenn sich ein Kind ankündigt.“ Schlechte Arbeitsverhältnisse, unfreiwillige Teilzeit, geringere Bezahlung: Das treffe nicht nur Frauen, aber eben ganz überwiegend – die dann in der Folge geringe Renten bekommen und stärker unter Altersarmut leiden. Und obwohl auch im Strafrecht viele Verbesserungen für Frauen stattgefunden haben, sei das Thema Gewalt nach wie vor aktuell, so Haller-Haid. Dabei dürfe man gerade am Internationalen Frauentag (eine sozialdemokratische Idee, nebenbei bemerkt) den Blick nicht nur auf das eigene Land richten. „Und dann stellen wir fest, dass sich die letzten Jahre bei weitem nicht alles zum Guten gewendet hat.“ Ihre Rede schloss sie darum mit einem eindringlichen Appell zur Solidarität mit entrechteten Frauen: jenen in der Türkei etwa, die für Demokratie und für Frauenrechte auf die Straße gehen, den Frauen im Iran, die ihre Kopftücher wegwerfen oder den Frauen in Afrin und anderen Kriegsgebieten, deren Leben akut bedroht sei. Sie forderte „null Toleranz, wenn Frauenrechte beschnitten werden“. Aber auch hierzulande gelte es, „klare Kante zu zeigen gegen Fundamentalisten aller Art, gegen Islamisten genauso wie gegen sämtliche Rechtspopulisten mit ihrem rückständigen Frauen- und erzkonservativen Familienbild“. Das seien sicher keine angenehmen Kämpfe, „aber wenn wir diese Auseinandersetzung nicht führen, laufen wir Gefahr, dass das Rad der Geschichte zurückgedreht wird. Es gibt nämlich keinen automatischen Fortschritt“.

 

Pionierinnen: Zwei Schorndorfer Frauen-Biografien


Für diesen Fortschritt gab es auch in Schorndorfs Geschichte zahlreiche Pionierinnen, wie Sabine Welter von der Frauengeschichtswerkstatt anhand zweier Biografien zeigte. Die eine, Ilse Beisswanger (1903 -1985), war einst erste Richterin Württembergs, stammte aus Geradstetten und lebte zumindest zeitweise in der Daimlerstadt. Nach dem Jura-Studium, zu dem Frauen erst kurz zuvor überhaupt zugelassen wurden, begann sie ihre berufliche Laufbahn 1929 als stellvertretende Amtsrichterin in Stuttgart. Beisswanger wurde aber bereits nach zwei Jahren mit folgender, vielsagender Begründung die Stelle gekündigt: „Solange ein Überangebot bester männlicher Kräfte vorhanden“ sei, sei es „auch psychologisch schwer zu tragen, sie durch Frauen zurückzusetzen.“ Sie arbeitete fortan als Rechtsanwältin. Wurde nach dem Krieg von der alliierten Militärregierung zur Spruchkammervorsitzenden berufen – und nach vielen Beförderungen im Jahre 1964 schließlich Landgerichtsdirektorin. Die andere, Rosa Kamm (1907-1996), war eine engagierte Schorndorfer Sozialdemokratin. Ihre Familie wurde deshalb im Dritten Reich verfolgt, ihr Mann Gottlob kam ins KZ, überlebte aber und wurde später sogar noch Bürgermeister und Minister. Nach dem Krieg war Kamm dann als eine von sieben Frauen, neben 93 Männern, Mitglied der verfassungsgebenden Landesversammlung von Württemberg-Baden. 1946 übernahm sie die Leitung des SPD-Ortsvereins, war eine der ersten Frauen im Schorndorfer Gemeinderat und erhielt 1970 das Bundesverdienstkreuz – als erste Frau im Altkreis Waiblingen. 

Doch welches Gewicht haben Frauen heute in der Politik? Und wo gibt es Handlungsbedarf? Dem ging dann eine Gesprächsrunde mit SPD-Frauen nach, moderiert von der stellvertretenden Ortsvorsitzenden Dagmar Keller. Auf der kommunalen Ebene sei es für Frauen politisch leichter, „denn da kennen sie sich aus“, fand Ursel Kamps, (Tochter übrigens der soeben erwähnten Rosa Kamm), die bis 2012 selbst im Gemeinderat saß. Auf den höheren politischen Ebenen würden sich dagegen nach wie vor die Männer durchsetzen. „Wir Frauen müssen immer noch doppelt so gut sein wie die Männer, um dasselbe zu erreichen.“ Wobei sie es bezeichnend findet, dass ausgerechnet jetzt, da die SPD in ihrer vielleicht tiefsten Krise der Geschichte ist, mit Andrea Nahles erstmals eine Frau die Partei führen soll. Dass es auch an den Frauen selbst liegen könnte, wenn sie in der Politik unterrepräsentiert sind, darauf wies Ex-Gemeinderätin Susanne Biler hin. Allerdings sei es früher auch attraktiver gewesen, in die Politik zu gehen, womit sie auf die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung verwies. „Viel Demokratie geht gerade den Bach runter. Das Feld dürfen wir den Populisten nicht überlassen.“ Gemeinderätin Heidi Rapp wiederum kann es durchaus verstehen, dass junge Frauen die Politik meiden. „In der Rush Hour des Lebens zwischen Familie, Beruf und sozialem Engagement ist kaum Platz für Politik.“ Das Leben sei heute viel stärker durchgetaktet, weshalb sich aus ihrer Sicht auch an der Form, Debatten zu führen und zu tagen, etwas ändern müsse. Sitzungen, die von 17 bis 23 Uhr gehen, seien da eher abschreckend. Antonia Schmid, mit 17 Jahren Jüngste in der Runde, sah die Dinge etwas positiver, vor allem im Verhältnis zu den jungen Männern. Die erlebt sie nämlich als durchaus offen – „auch wenn es immer noch zu viele mit einer konservativen Haltung gibt“. Schade allerdings sei es, so die einhellige Meinung der SPD-Frauen, dass Frauen an der Wahlurne (und nicht nur dort) häufig wenig solidarisch mit ihren Geschlechtsgenossinnen seien. Denn, so die Erfahrung von Ursel Kamps, „wenn Frauen zusammenhalten, kann etwas Großes entstehen“.

 

Solidarität: Mehr Frauen in die Kommunalpolitik


Viele zu viele Männer, die an ihren Posten kleben und die Kommunalpolitik über Jahrzehnte dominieren – auch das sei ein Problem, meinte Gemeinderätin Silke Olbrich. Wer sich dennoch als Frau in dem Gremium engagieren wolle, sollte gut vorbereitet an die Sache herangehen, sich bei wichtigen Themen Partner suchen, mit denen Forderungen gemeinsam ausgefochten werden – und die Angebote zur kommunalpolitischen Fortbildung rege nutzen. In guter sozialdemokratischer Tradition war es dann aber auch ein Mann - der Ortsvorsitzende Martin Thomä, um genau zu sein -, der die Frauen zum Einstieg in die aktive Politik aufrief. Kommendes Jahr sind Gemeinderatswahlen, da würde er es begrüßen, wenn sich wieder mehr Frauen aufstellen lassen. „Kommen Sie auf uns zu! Engagieren Sie sich! Nirgendwo ist Politik so konkret wie im Kommunalen.“

 

(Erschienen in den Schorndorfer Nachrichten am 10. März 2018)

125 Jahre SPD Schorndorf: Ein Blick zurück nach vorn

Eine stolze Zahl: Die SPD in Schorndorf wird 125 Jahre alt.

Das nehmen wir zum Anlass, um am Freitag, den 1. Juli 2016, ab 17 Uhr angemessen zu feiern: Wir werden in Erinnerungen schwelgen. Wir werden die Gegenwart analysieren. Wir werden diskutieren, wie wir sozialdemokratische Werte auch in Zukunft bewahren und leben können.

Höhepunkt der Feierlichkeiten wird sicher die Festrede des ehemaligen Bundesvorsitzenden und Vize-Bundeskanzlers Franz Müntefering sein. Ich freue mich sehr, dass er unser Geburtstagsgast sein wird. Und ich freue mich genauso auf das Kommen von jedem/r Einzelnen von Ihnen.

Martin Thomä

Vorsitzender Ortsverein Schorndorf

Nikolaj Stöckle tritt in die Fußstapfen seines verstorbenen Vaters

In die kommunalpolitischen Fußstapfen seines verstorbenen Vaters und langjährigen Schorndorfer Stadtrats Dr. Frieder Stöckle, ist jetzt sein Sohn Nikolaj Stöckle getreten: Er wurde Stadtrat für die SPD-Fraktion in Trier. Stöckle hatte 2014 für den Stadtrat kandidiert und rückte für eine aus beruflichen Gründen ausscheidende Stadträtin nach. Der 49-jährige Diplom-Psychologe ist Leiter einer Jugendhilfeeinrichtung in Trier. Stöckle hatte die Arbeit der SPD-Stadtratsfraktion bereits seit längerem begleitet und im Jugendhilfeausschuss  mitgearbeitet. Der Stadtrat in der 105 000 Einwohner zählenden Stadt in Rheinland-Pfalz besteht aus 56 Mitgliedern. Mit 15 Sitzen ist die SPD nach der CDU die zweitstärkste Fraktion. Seit einem Jahr steht an der Spitze der Stadt Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD).

Letzter Stammtisch im Traditionslokal

SPD-Fraktionschef Karl-Otto Völker berichtet von der Gründung des SPD-Ortsvereins 1891

Vor fast 125 Jahren, im Juli 1891, gründete sich der Schorndorfer SPD-Ortsverein im Traditionslokal "Weißes Lamm". Das Lokal, das selbst auf eine 150-jährige Tradition zurück blicken kann, geht Ende des Monats auf einen neuen Besitzer über. Der Weiterbetreib des Lokals unter anderer Führung gilt als sicher. Etwa 20 Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus Schorndorf ließen es sich nicht nehmen, sich ein letztes Mal bei Rolf Käser in ihrem Gründungslokal zu treffen. SPD-Fraktionschef Karl-Otto Völker informierte aus der Broschüre zum 100-jährigen Jubiläum des Ortsvereins über die Gründer Eugen Hieber und Karl Strobel. SPD-Ortsvereinsvorsitzender Martin Thomä und Dr. Günter Zollmann berichteten über eine Veranstaltung des SPD-Ortsvereins im vergangen April, bei der Theodor von Wächter, Christ und Sozialdemokrat und Freund Ludwig Palmers im Mittelpunkt stand. Wächter hatte ich in den 1920er Jahren in Schorndorf und weit darüber hinaus sehr stark sozial engagiert.
Aber auch ganz aktuelle kommunalpolitische Themen kamen bei den Gesprächen im Weißen Lamm nicht zu kurz.

Bedürfnisse von Jugendlichen mit Behinderung erkennen und respektieren

Elke Tigli, Simon Maier, Dagmar Keller (von links)

In der zweiten "Inklusions-Veranstaltung" des SPD-Ortsvereins wurde deutlich, dass Inklusion auch bei der Freizeitgestaltung ein Thema ist. „Die Freizeitgestaltung junger Menschen mit einer Behinderung soll auch mal ohne Mama und Papa möglich sein“ sagte Frau Tigli vom Kreisjugendring. Zum Beispiel sollen „Leute gefunden werden, die uns auf mal ein Konzert oder ins Kino begleiten“. Ihr Kollege Simon Maier stellte in einer kleinen Filmsequenz das Projekt „Boule ist cool“ vor. In der anschließenden Diskussion wurden von einer Teilnehmerin vorgeschlagen, künftig auch inklusive Angebote im Ferienprogramm der Stadt anzubieten. Laut Dagmar Keller, stv. SPD-Ortsvereinsvorsitzende und Moderatorin des Abends sollen weitere Ideen zur „gelebten Inklusion“ von den Sozialdemokraten in das Schorndorfer Inklusionsforum einfließen.

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